Gereimt wird häufig, und ebenso häufig wird diese Textform unterschätzt. Will man sich in Versen ausdrücken, reicht es nicht, den kleinen Steputat zu wälzen, um möglichst passende Endreime zu finden. Das zeigt sich deutlich im Vergleich der folgenden Kinderreime von Peter Ensikat mit den von Chat GPT entsprechend ergänzten Partien. Im zweiten Teil des Beitrags handelt es sich um den Vorlesetext zu einem Bilderbuch. Ebenfalls ein Genre, das besondere Sorgfalt erfordert, wenn die Zielgruppe sich angesprochen fühlen soll. Arthur Kolle wählte diese beiden Texte für seinen Beitrag zum Freitagssalon am 24. März 2023.
Lesedauer fünf Minuten
„Das A steht vorn im Alphabet“-Gedichte mit KI-Fortführung
Das unerhörte C
Das C im Alphabete stört,
weil man es nie als solches hört.
Tut sich’s zusammen mit dem H,
dann steht der Sprecher sprachlos da –
wie spricht man denn nun das CH?
Mal heißt es Lachen und mal Lächeln –
wer mag denn solche Sprache sprecheln?
Mal Ach und Krach, mal Licht und dicht –
wer es nicht fühlt, versteht es nicht.
Es heißt halt Sprache, wenn man spricht.
Mal hart, mal weich, mal laut, mal leis,
die Sprache bleibt ein Rätselkreis.
Das CH allein macht schon Beschwer,
und auch das G ist oft nicht fair.
Es klingt wie Gans und wie Gelee,
wie Gold und auch wie Grätenfee.
Das N ist auch nicht ohne List,
es klingt wie Hund und wie Gebiss.
Doch trotz der vielen Sprachgewalt,
ist sie ein Spiegel, eine Gestalt.
Sie spiegelt uns’rem Denken wider,
und ist der Menschheit größter Führer.
Drum lernen wir sie stets von Neuem,
sie hilft uns in der Welt zu kreuzen.
Mal fein und zart, mal wild und frei,
sie ist der Weg zur Harmonie.
Das klare K
Kleine Kinder kauen gerne
Kokosnuss und Kürbiskerne.
Kleine Katzen kuscheln gerne.
Katrin knackt gern Kirschenkerne.
Kalter Kaffee schmeckt wie Spucke.
Komm und kratz mich, wenn ich zucke.
Kämmen kann man keine Glatze.
Keiner klaut die kahle Katze.
Karlchen kratzt sich kühl das Kinn –
das Gedicht hat keinen Sinn.
Keinen Sinn? Das kann ja sein.
Aber Ks hat’s groß und klein.
Kleine Kängurus im Klee,
kaum, aber doch zu sehn.
Klappernd klaut der Kauz das Korn,
kühne Krieger sind geborn.
Krokodile kriechen krumm,
kehren kaum zur Quelle um.
Kühn erklimmen sie den Kaiman,
kein Problem für ihren Rahmen.
Kleine Küken, Korn und Klee,
Kinder lachen, owe owe.
Klettern, Kämpfen, Kuscheln, Krabbeln,
kein Tag soll ihnen Langeweile halten.
Denn das Leben ist ein Spiel,
voller Klang und Farbenpracht, ganz viel.
Und das K ist unser Held,
das uns durch diese Sprache hält.
Doktor Ell
Als Kommissar für alle Fälle
hat Doktor Ell in aller Schnelle
den ganz besonders süßen Fall
vom allerliebsten Lolliball.
Ein Lolliball ist etwas Rundes
und nicht in jedem Fall Gesundes.
Doch er enthält – das wisst Ihr, gell? –
fünf süße und gesunde L.
Mit detektivischem Scharfsinn und einem Blick voll Elan,
nahm Doktor Ell den Fall des Lolliballs in die Hand.
Er untersuchte das Rund um den Kern,
um den Süßstoff zu finden, der da drin wär.
Er schaute sich das Lolly genauer an,
um herauszufinden, woher der Saft wohl kam.
Ob Zitrone, Orange oder doch Limette,
er fand schnell heraus, was dem Ball geschmeckt hätte.
Die fünf gesunden Ls, das war schnell klar,
waren ein wichtiger Teil der Zutaten, ganz wunderbar.
Limo, Limone, Lakritz, Litschi und sogar Löwenzahn,
verliehen dem Lolly den Geschmack, den jeder haben kann.
Und so löste Doktor Ell den Fall vom Lolliball,
mit detektivischem Scharfsinn und einem Blick voller Schwall.
Er gab dem Süßen die Chance, sich von seiner besten Seite zu zeigen,
und bewies damit, dass man auch mit Lollies das Leben kann beschreiten.
P wie Popeln
Es popeln die Menschen in China,
in Bitterfeld und Palästina.
Es popeln die Enkel, es popeln die Opas –
es popeln die feinsten Leute Europas.
Es steckt auch der Papst wohl nach manchem Gebet
den Finger hinein und dreht und dreht.
Auch Claudia Schiffer, die Queen und ihr Mann
sind manchmal allein und popeln dann.
Und wenn sie sich ganz und gar selbst vergessen,
kann’s vorkommen, dass sie die Popel auch essen.
Es popeln die Menschen auf der ganzen Welt,
ob groß oder klein, ob arm oder Held.
Denn manchmal juckt es in der Nase,
und dann muss man eben mal was rausziehen, ganz leise.
Es popelt der Bäcker, es popelt der Bauer,
es popelt die Schwester und auch der Bruder.
Es ist etwas, was alle kennen,
und keiner will es so recht benennen.
Es ist nicht schön und doch so menschlich,
ein kleines Stückchen von unsichtbarer Geschicht‘.
Es ist manchmal eklig und manchmal fein,
doch letztlich ist es einfach nur klein.
Denn wer weiß schon, was in uns steckt,
wenn wir uns in uns selbst verstecken.
Vielleicht ist es ein kleiner Schatz,
der uns hilft, wenn mal was im Hals sitzt fest.
Ich werde Wunder vollbringen:
100-mal hat man mir die Frage gestellt,
was willst du denn werden auf dieser Welt?
Ich sage Pilot oder Inspektor beim Zoll,
weil ich nicht weiß, was ich antworten soll.
Aber heute Morgen, als ich erwachte und am Himmel die Sonne lachte, dachte ich mir, es wär doch ein Spaß,
wenn ich täglich die Sonne aufgehen lass.
Ich werde die Wogen des Meeres auf stören und mir ihr schönes Konzert anhören.
Die Kranken heil ich mit bunten Dragees,
wenn das nicht hilft, mit Kräutertees.
Die Toten lasse ich erwachen, dann können sie Ballspielen und fröhlich lachen.
Die bösen Verbrecher bekämpfe ich alle.
Mit Polizisten locke ich sie in die Falle.
Ich gebe nicht auf, auch wenn es mir schwer fällt,
bis es kein Unrecht mehr gibt auf der Welt.
Für den Frieden will ich kämpfen als tapferer Ritter, wer dagegen ist, kommt hinter Gitter.
Schurken haben in der Freiheit nichts verloren,
die sollen lieber im Gefängnis schmoren.
So oft es nur geht, werde ich Wunder vollbringen.
Alle sollen das Loblied des Zauberers singen.
Alle Geheimnisse will ich erfahren,
jeden will ich vor Reue bewahren.
Mein frisch gebackenes Riesenbrot
stillt überall die Hungersnot.
Jedem nackten Kind auf der Welt,
nähe ich ein Kleid, das ihm gefällt.
Ich ersticke den Hass und die Feuersgluten.
Ich verbanne Krankheiten und wilde Fluten.
Jeden Lebenstag verlängere ich um ein Stück.
Vertreibe die Sorgen und bringe das Glück.
Eine Welt voller Weisheiten will ich entfalten,
all meine Versprechen werde ich halten.
Ihr seht es schon: Ein Gott will ich werden,
der alles besser macht auf Erden.
Doch halt, da fällt mir etwas ein,
es würde vielleicht klüger sein,
ich lasse das mit dem Zaubern erst mal bleiben
und lerne erst das Lesen und Schreiben.
Schön, dass Chat GPT, Stand Frühling 2023, noch keine Begabung zum Reimen hat, von der gedanklichen Brillanz ganz schweigen. Die Fähigkeit zum gedanklichen Sprung, sei er nach oben, auf die Seite oder zurück, bleibt (vorläufig?) uns Menschen vorbehalten. Und damit auch die Kreativität.
Ein großer Fehler ist, wenn sich Erwachsene vorstellen, was Kinder oder Jugendliche gerne hören oder lesen wollen. Das führt recht häufig zu kindischen Texten. Roald Dahl zeigt hier, dass das anders geht.