„Die Effingers“ von Gabriele Tergit (1951)

Des einen Freud – des anderen Leid. Über Geschmack lässt sich trefflich debattieren. So ist auch die Einschätzung von Gefälligem beim Einrichten eines Hauses einem ständigen Wandel und entsprechenden Auseinandersetzungen ausgesetzt. Da können nicht nur Unterschiede zwischen den Generationen innerhalb der Familie, sondern auch bei Einrichtungsberatern und Handwerkern zutage treten.

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Das Haus in der Bendlerstraße wurde nahezu dunkelbraun angestrichen. Im Korridor wurde die blaßblau gestreifte Tapete heruntergerissen und dafür eine dunkelrote geklebt. Es kam ein Holzstamm als Kleiderständer hinein, an dem mehrere kleine, holzgeschnitzte Bären teils hochkletterten, teils unten saßen. Dazu ein Tisch mit einer silbernen Visitenkartenschale.
Rechts das Schrankzimmer blieb. Oppner fand es sehr hübsch mit dem weißen Anstrich und den goldenen Streifen, aber die Jugend des Hauses war absolut dafür, diese Zeichen einer überwundenen Klassizität zu verbannen.
„Wenn ihr schon ein solch altmodisches Haus kauft“, sagte Annette, die schöne Achtzehnjährige, „statt eine moderne Villa bauen zu lassen, mit Türmchen und einem Lug-ins-Land und einem Erker mit Tritt, dann müßt ihr wenigstens alles dunkel und behaglich streichen lassen, statt so kalt und unfreundlich hell.“
Theodor, der Ästhet, knapp siebzehnjährig, Lehrling im Hause Oppner & Goldschmidt, war selten mit seiner Schwester Annette einer Meinung, weil er sie für eine Pute hielt, diesmal aber war er auch für dunkel.
Im großen Salon wurde die Schäferei mit rotem Seidendamast überspannt, nur die Decke blieb, die Decke aus Wolken und Putten, die Annette töricht genug fand. Das Eßzimmer, in dem die leicht gotisierenden Möbel gestanden hatten und der blaue Himmel mit den goldenen Sternen schwebte, bekam eine kostbare, braun-goldene, mit roten Wappen versetzte Ledertapete. Ein Geweih, an dem künstliche Trauben waren, wurde als Beleuchtungskörper aufgehängt, und schwere geschnitzte Stühle mit hohen Lehnen wurden um einen schweren Eichentisch gestellt. An der Wand stand ein Büfett mit Türmen und Giebeln, auf dessen Füllungen Schnitzereien waren, Fische, Vögel und sonstiges tote Getier. Die Decke wurde künstlich geschwärzt und bekam große Balken.
In den großen Salon kamen Möbel aus schwarzem Ebenholz mit rotem Damast, in die Mitte ein kreisrundes Sofa, auf dem man ringsum Rücken an Rücken sitzen konnte, das nicht zum Unterhalten, sondern nur zum Engagiertwerden da war und in dessen Mitte eine Palme stand. Der kleine Salon erhielt graue Samtmöbel mit Gobelin. Der Erker wurde um eine Stufe höher gelegt. Die bis zum Boden reichenden Fenster wurden durch höher gelegene ersetzt. Die alten Möbel aus der Klosterstraße waren nur noch gut für die Kinderzimmer. Dorthin kamen die geschweiften Mahagonisofas der sechziger Jahre und die kleinen Kommoden aus Nußholz und die langen Spiegel.
Am meisten aber mußte für die Toilette getan werden. Oppner beschloß, Watercloset einzubauen. In den weißen Schüsseln war in Blau das englische Wappen abgebildet: „Dieu et mon droit“. Oppner fand das ein bißchen komisch, in der Klosettschüssel: „Dieu et mon droit!“ Aber was den Engländern gut war, konnte den Deutschen wohl billig sein. Der englische Vertreter bot ihm noch weiter verschiedenes an, was für die Ausstattung eines erstklassigen WC unerläßlich war. So z.B. eine Rolle, von der man perforierte Papierstreifen abrollen konnte und die mit einer bronzenen Platte an der Wand befestigt wurde. Auf der bronzenen Platte war ein Relief mit Löwe und Einhorn, den englischen Wappentieren, und darunter stand: „The Crown’s fixture.“ Es war sehr teuer.
Ein englischer Meister überwachte den Einbau. „Lauter so neumodische Sachen“, sagte Hoff, der alte Malermeister, „früher sind wir alle auf ’n Hof gegangen, hat auch seine Richtigkeit gehabt, jetzt bringen sie lauter so neumodisches Zeug auf, Wasserspülung und Fayencebecken und lauter so Sachen.“
„Was ’n das?“ fragte er, als „The Crown’s fixture“ gebracht wurde.
„Da werden gebracht Papierrollen drauf“, sagte der Engländer. Der alte Malermeister schüttelte den Kopf. „Die schönen Malereien im alten Salon müssen wir überkleben, und in die Gelegenheit lassen sie vom Englishman alles Mögliche einbauen, ohne das wir alle bis gestern glücklich gewesen sind. Keen lieber Gott mehr, aber Wasserspülung. Das ist die neue Zeit!“

Eine wunderbare Sache ist die Veränderung von Stilempfinden. Das Durchblättern von ADC-Büchern aus den Sechzigern, Siebzigern und Achtzigern kann zu kleinen, spitzen Entzückens- oder Entsetzensschreien führen.
Aber: The new is nothing but a restatement of the old Jenny Holzer. (Ihre „truisms“ sind übrigens immer einen Blick wert.)