„Maschinen wie ich“ von Ian McEwan (2019)

Wie weit reicht die Intelligenz eines Computers? Könnte KI eine Art Gefühl entwickeln? Eine Seele gar? In diesem Roman kauft sich Charlie, ein technikaffiner junger Mann, einen hochentwickelten Roboter in Menschengestalt. Das Zusammenleben mit dem Androiden konfrontiert ihn und seine geliebte Miranda nicht nur mit den erstaunlichen Fähigkeiten der bei ihnen eingezogenen KI, sondern sie lernen dabei sehr viel über sich – auch gegenseitig.

Nachdem er mir an einem der nächsten Morgen erzählt hatte, er habe die ganze Nacht an Miranda denken müssen, setzte er hinzu: „Ich habe auch über das Sehen und den Tod nachgedacht.“ 
„Lass hören.“ 
„Wir können nicht alles sehen. Wir können nicht hinter unseren Kopf sehen. Wir können noch nicht mal unser Kinn sehen. Sagen wir, unser Sichtfeld umfasst nahezu 180 Grad, das periphere Sehen miteingerechnet. Seltsam ist nur, dass es keine Grenze, keinen Rand gibt. Wir sehen nicht das Sichtbare und dann Schwärze, wie man es kennt, wenn man durch ein Fernglas blickt. Da ist nicht etwas und dann nichts. Wir haben unser Sichtfeld, und jenseits davon weniger als nichts.“ 
„Und?“ 
„Und genauso verhält es sich mit dem Tod. Weniger als nichts, weniger als Schwärze. Der Rand unseres Blickfeldes ist ein gutes Bild für den Rand unseres Bewusstseins. Leben, dann Tod. Ein Vorgeschmack, Charlie, und er ist den ganzen Tag da.“ 
„Also nichts, wovor man sich fürchten muss“, sagte ich. 
Er hob beide Hände, als wollte er eine Trophäe greifen und schütteln. „Ganz genau! Weniger als nichts, wovor man sich fürchten muss!“

Werden zukünftig Programme Konzepte ausdenken und Texte schreiben, und du wirst arbeitslos? Es ist nicht anzunehmen. Seit den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts wird an der Schnittstelle Mensch/Maschine gearbeitet, und die jämmerliche Tastatur ist nach wie vor die am besten funktionierende Dialogmöglichkeit.
Möglicherweise wird Software bald in der Lage sein, dir langweilige Arbeit abzunehmen – KI kann bald Textadaptionen für verschiedene Kanäle vorschlagen, Software kann dir eine Rohfassung für einen Broschürentext schreiben, ein Programm kann Textbausteine kombinieren und so etwas, hm, Sinnvolles herstellen. Es wird aber noch sehr, sehr lange dauern, bis eine Maschine die Feinheiten, Schattierungen und Bezüge der menschlichen Sprache beherrscht – wenn sie das überhaupt jemals erreichen wird.